Michael Beleites – Positionen – Demokratie & Zukunft: Worum es geht

Michael Beleites

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Demokratie & Zukunft: Worum es geht

Die Fragen zur Demokratie sind von zwei verschiedenen Richtungen her zu stellen: Zum einen geht es um die Frage, ob das, was uns heute dem Namen nach als Demokratie präsentiert wird, wirkliche Demokratie im Sinne von Volksherrschaft ist. Zum anderen geht es um die Fragen, ob die der Demokratie grundsätzlich innewohnenden strukturellen Probleme diese Staatsform geeignet erscheinen lassen, die vor uns liegenden Herausforderungen zu bewältigen – und welche Kriterien eine freiheitliche und friedvolle Alternative erfüllen müsste. Wichtig ist, dass wir uns weder rückwärts noch vorwärts den Blick verstellen lassen durch die alles andere ausblendende Dichotomie: Demokratie oder Diktatur. In der politischen Bildung unserer Tage geht man geflissentlich darüber hinweg, dass all die vor 1918 existierenden monarchischen Staatsformen weder Diktatur noch Demokratie waren. [...]

Unser demokratisches System bietet keine Gewähr dafür, dass es nicht unter Aufrechterhaltung einer demokratischen Fassade seiner demokratischen Inhalte und Prinzipien beraubt wird. Auch eine nominelle Demokratie schützt uns nicht davor, dass gegen den Willen der Bevölkerungsmehrheit demokratisch nicht legitimierte Lobbyorganisationen Durchgriff auf politische Entscheidungen erhalten; dass zentrale Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge privatisiert werden, um einer neoliberalen Umverteilung den Weg zu ebnen [...]; dass völkerrechtswidrige Kriege begonnen werden [...].

Aber auch wenn die Voraussetzungen einer Volkssouveränität erfüllt sind, bleibt es in den "überentwickelten Nationen" (Leopold Kohr) ein prinzipielles Problem der Demokratie, dass sich demokratische Entscheidungen zwar auf die Lebensbedingungen kommender Generationen oder anderer Kontinente erstrecken, aber die Menschen nachfolgender Generationen und die Bewohner anderer Kontinente keine Stimme bei den auch sie betreffenden politischen Prozessen haben. Damit sind politische Strömungen, die die Interessen kommender Generationen mitberücksichtigen, strukturell benachteiligt.

Das Problem der zeitlichen Begrenztheit der demokratischen Interessenvertretung führt dazu, dass die Demokratie nur in Wachstumswirtschaften funktionieren kann und selber das als grenzenlos verstandene Wachstum anheizt. Wann immer zwei Politikangebote zur Auswahl stehen, wo das eine die begrenzten Ressourcen unbegrenzt an die Zeitgenossen verteilen und damit kommenden Generationen entziehen will – und das andere verspricht, die Angebote zu reduzieren, um kommenden Generationen Lebensoptionen zu belassen, wird das erstere stets mehr Stimmen bekommen. [...]

Die auf die Menschheit zukommende Situation, dass einer zunehmenden Anzahl von Menschen ein abnehmender Umfang an Energie und Ressourcen zur Verfügung steht, wird mit unserem demokratischen System nur schwer zu handhaben sein. Für eine gerechte Organisation von Schrumpfungsprozessen ist die Demokratie, wie wir sie kennen, offenkundig nicht gemacht. Vor allem kann die entscheidende Frage der generationenübergreifenden Verantwortung nicht mit [...] der bloßen Gewichtung von Links und Rechts geklärt werden, weil es in beiden Lagern solche und solche Strömungen gibt.

Und die räumliche Horizontbegrenzung der demokratischen Verfahren sorgt dafür, dass all die Zusammenhänge verschleiert oder beschönigt werden, wie wir durch die Ausplünderung anderer Kontinente auf Kosten anderer leben. [...]

Nun will ich keinesfalls dafür plädieren, uns von der heutigen Demokratie zu verabschieden, bevor wir eine freiheitliche und nach innen wie außen kooperativ verfasste Alternative gefunden haben. Dass wir aber deswegen nach einer solchen Alternative gar nicht suchen dürften, weil es auch despotische Alternativen zur Demokratie gibt, halte ich für einen folgenschweren Denkfehler. Warum sollten wir nicht an die Überlegungen zu einem "Dritten Weg" aus den europäischen Friedens− und Umweltbewegungen der 1980er Jahre wieder anknüpfen?
Michael Beleites (2020) Lebenswende. Degeneration und Regeneration in Natur und Gesellschaft. Manuscriptum Verlag. S. 191ff.

Solange das politische System der Logik des Verdrängungswettbewerbs untergeordnet ist, kann man von den agierenden Politikern auch nicht erwarten, dass für sie das Wohl des gesellschaftlichen Ganzen die erste Priorität hat. Der Politikwissenschaftler Lothar Fritze betont, dass "das Obsiegen im Kampf um Hegemonie vor das Gemeinwohl zu stellen [...] die eigentliche Verfehlung im Kulturkampf der Gegenwart" ist. Und diese Verfehlung ist eigentlich nicht den politischen Akteuren anzulasten, sondern dem politischen System, nach dessen Spielregeln sie zu funktionieren haben.
Michael Beleites (2020) Lebenswende. S. 172.

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